Kein Eigentum in Deutschland

Der Begriff „Eigentum“ wird in Deutschland richtigerweise seltener benutzt als „Besitz“. Warum das so ist können wir sehr einfach am Beispiel eines Eigenheims, eines Autos und einer Reisetasche festmachen: 

Hans Hansmann hatte im Januar 2000 ein Einfamilienhaus und einen Mercedes SL von seinen verstorbenen Eltern geerbt. Hans ist seit 1990 arbeitslos und findet, wegen seiner Poliarthrose, auch keinen Job mehr. Dennoch tut er alles, um beim Jobcenter nicht in die Frührente ausgemustert zu werden, da er mit den Renteneinkünften gar nicht mehr über die Runden käme. Nachdem er sein Erbe angetreten hatte und in das Haus der verstorbenen Eltern einzog, musste er schon sehr viel unternehmen, um zu vermeiden, dass das Jobcenter den Verkauf des Hauses forderte. Den Mercedes konnte er auch nur behalten, weil der Sachbearbeiter nicht wusste, dass der Wagen schon zu der Zeit ein wertvoller Klassiker war. Soweit so gut, Hans Hansmann fühlte sich nun sicher. Immerhin bewohnte er jetzt Eigentum und konnte von keinem Vermieter vor die Tür gesetzt werden. Das wird sich jedoch noch ändern. 

Im Februar 2001 erhielt Hans einen Grundsteuerbescheid seiner Gemeinde über 150 Euro. Da Hans im Januar jedoch erst die KFZ-Steuer über 300 Euro zahlte, hatte er die 150 Euro für die Grundsteuer nicht mehr zur Verfügung. Er zahlte sie nicht. 

Im Juni 2001 erhielt Hans Hansmann eine Gebührenrechnung für die anteiligen Kosten der Gehwegsanierung vor seinem Haus. Auch die konnte Hans nicht bezahlen. 

Auch 2002 konnte Hans die Grundsteuer nicht bezahlen. Ebenso wie 2003, 2004, 2005 und 2006. Die Anteiligen Kosten für die Kanalsanierung in seiner Straße konnte er auch nicht begleichen. Und so summierten sich die Schulden von Hans gegenüber seiner Gemeinde. Vollstreckung und Pfändungen blieben erfolglos, bis die Gemeinde eines Tages eine Zwangshypothek auf das Haus von Hans beim Amtsgericht eintragen ließ. Dagegen konnte Hans sich nicht wehren, denn als Organ des öffentlichen Rechts kann die Gemeinde solche Hypotheken ungeprüft eintragen lassen. In diesem Moment wurde Hans Hansmann vom Immobilieneigentümer zum Immobilienbesitzer. Denn mit diesem Grundbucheintrag konnte Hans nicht mehr frei über sein Haus verfügen.  

Im Laufe der Zeit folgten weitere Kosten- und Gebührenbescheide, die Hans natürlich nicht begleichen konnte. So häuften sich die Zwangshypotheken bis die Gemeinde einen Gutachter zu Wertschätzung des Hauses und des Grundstücks beauftragte. Der stellte fest, dass der Wert der Liegenschaft etwa 60% der Hypotheken entsprach. Daraufhin beantragte die Gemeinde die Zwangsversteigerung der Liegenschaft zum Verkehrswert. Nach dem Versteigerungstermin war Hans sein Haus los und wurde vom neuen Eigentümer auch schnell zwangsgeräumt. Und so wurde Hans obdachlos und lebte fortan in seinem Mercedes.  

An sich war es der Gemeinde egal, dass Hans in seinem Auto wohnte. Nur das Hans nun keine Adresse mehr hatte wohin die Gemeinde den KFZ-Steuerbescheid schicken konnte, war der Gemeinde natürlich nicht egal. Ein KfZ ohne Halteradresse darf nicht und so zogen die Fahnder des Ordnungsamts aus. Ausgerüstet mit dem kleinen Katzer, mit dem die Städtesigel von den Kennzeichen entfernt werden. Eines Tages, als Hans sein gesammeltes Leergut beim Discounter gegen Leberwurst tauschte, wurde der Mercedes entdeckt, “entwertet” und damit quasi zur neuen Immobilie von Hans Hansmann. Leider auf dem Parkplatz des Discounters, der diesen natürlich nicht als Wohnraum unterverpachten wollte.  

Der Versuch von Hans, mittels eines Kurzzeitkennzeichens seinen Mercedes zu einem neuen Standplatz zu bewegen, scheiterte natürlich an seiner fehlenden Meldeadresse. Ohne Meldeadresse kein Kennzeichen. Auch nicht für kurze Zeit. Da der Abschleppunternehmer das Fahrzeug nicht auf dem öffentlichen Parkplatz drei Straßen weiter abstellen wollte, fuhr Hans den Benz ohne Zulassung – und damit auch ohne gültigen Versicherungsschutz – selbst auf diesen Parkplatz. Zum Glück wurde er nicht erwischt. 

Wenige Tage später waren die Fahnder des Ordnungsamts wieder unterwegs und erkannten den Benz sofort. Ein Auto ohne Zulassung auf einer öffentlichen Fläche ist nicht erlaubt. Und dann auch noch ein Halter ohne Meldeadresse? Diesmal kratzten die Ordnungshüter nichts ab, sondern brachten einen roten Aufkleber an. Mitten auf der Windschutzscheibe. Der Text auf diesem Aufkleber kündigte die Abschleppung und Verwertung des Fahrzeugs von amtswegen an, sofern das Ding nicht binnen sieben Tage vom öffentlichen Grund verschwindet. Hans blieb also nichts weiter übrig, als den Benz endgültig zu verkaufen. Und wie es der Zufall will, wurde dem Jobcenter das bekannt und Hans bekam solange kein Hartz4, bis der Erlös verbraucht wurde.  

Fassen wir mal kurz zusammen: Von dem “Eigentum” blieb Hans jetzt nur noch sein persönliches Hab und Gut in einer Reisetasche. Sein Fehler war es nur, nicht über die Mittel zu verfügen, sein “Eigentum” gegen die Forderungen der öffentlichen Hand zu schützen, weil nach den Heiz-, Versicherungs- und Instandhaltungskosten kein Geld mehr für Steuern und den Scheiß der Gemeinde über war.  

Als Hans eines Tages den Erlös seines Leerguts für eine Eintrittskarte in das öffentliche Schwimmbad investierte, um die Dusche für seine Körperpflege zu nutzen, schloss er seine Reisetasche in einen Spint der Badeanstalt ein. Dummerweise verlor er den Schlüssel. Auf dem Schlüssel stand auch die Nummer des Spints, die er sich zuvor nicht merkte. Die Administration der Badeanstalt sagte Hans zu, seine Tasche zu ihm zu schicken, wenn nach Ende des Badetags alle Spinte geöffnet werden können, um die Tasche zu finden. Da sich darin jedoch sämtliche Wertsachen von Hans befanden – und er ohnehin keine Adresse zum Zuschicken hatte – vereinbarte Hans am nächsten Morgen die Tasche bei der Badeanstalt abzuholen und verbrachte die Nacht in Badehose auf der Bank neben dem Eingang. 

Die eigentlich nette Dame, die am nächsten Tag Dienst im Schwimmbad hatte, wollte Hans die Tasche gerne aushändigen, sofern er sich ausweisen konnte. Auf den Kompromiss, den Ausweis in der Tasche zu suchen, lehnte die Dame ab. Sie dürfe die Tasche nicht öffnen. Hans müsse sich diesbezüglich beim Ordnungsamt melden. Die herbeigeholte Polizei wollte die Personalien von Hans feststellen und trieb damit die Skurrilität der Situation auf die Spitze, die nur noch davon übertroffen wurde, dass die Polizeibeamten Hans aufforderten, nicht nur mit Badehose bekleidet öffentliche Gebäude zu betreten.  

Als Hans – mit viel zu großer Bekleidung aus der Bahnhofsmission – über die Bahnbrücke ging und der 17:47 Uhr ICE von Brüssel nach Frankfurt/Main sich unter ihm näherte, siegte der Frust und die Verzweiflung.  

Die Tageszeitung titelte am nächsten Tag: “Polizeibekannter Obdachloser traumatisiert Lockführer durch Freitod”.. 

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  1. Dies ist ein interessanter Beitrag. Vielen Dank. Übrigens, ich spreche Englisch und habe Google Translate verwendet, um Ihren Beitrag zu lesen.

    This is an interesting post. Thank you.
    By the way, I’m an English language speaker so I used Google Translate to read your post.

    Ich muss hinzufügen, dass Hans‘ Geschichte in einen Essay oder eine fiktive Geschichte (Roman) umgewandelt werden könnte, die bei einer Veröffentlichung etwas gesellschaftliches Gutes bewirken könnte. George Orwell schrieb viele Essays dieser Art. Hans berührt mich, weil ich einen Sohn habe, der 3.000 Meilen von mir entfernt lebt und sich in einer ähnlichen Situation befindet.

    I must add that Hans’s story could be turned into an essay or fictional story (novel) which might do some social good if published. George Orwell wrote many essays of this type. Hans touches me because I have a son who lives 3,000 miles away from me who is in a similar situation.

  2. Ich entschuldige mich aufrichtig für diesen Kommentar! Aber ich teste einige Software zum Ruhm unseres Landes und ihr positives Ergebnis wird dazu beitragen, die Beziehungen Deutschlands im globalen Internet zu stärken. Ich möchte mich noch einmal aufrichtig entschuldigen und liebe Grüße 🙂

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